• mutig
  • echt
  • ikonisch
  • einfach
  • transformativ
  • mutig
Loaded

Das mit dem „sein“ und dem „haben“

Da hat sich ein Fehler eingeschlichen!

Man hört es immer öfter. In Interviews, Talkshows, Nachrichtensendungen. Politiker sagen es, Werbung plappert es nach, und selbst in Imagefilmen wirkt es inzwischen fast schon wie ein stilistisches Statement:
„Wir sind angefangen.“

Aha.

Es klingt ein bisschen, als hätte jemand beim Sprechen kurz die Sprachregion gewechselt. Vielleicht nach Oberbayern. Oder ins Rheinland. Oder in eine Zeit, in der die Dinge grammatikalisch… sagen wir: flexibler gesehen wurden.

Früher hätte man da noch schmunzelnd gesagt: „Ja mei, Dialekt halt.“ Heute? Heute ist es angekommen. Im Hochdeutschen. Mitten im Satz. Ohne Scham

Das mit dem „sein“ und dem „haben“

Fangen wir mal vorne an. Also: an. Man hat angefangen. Nicht: man ist.

„Anfangen“ ist eines dieser ganz normalen Verben. So wie „kochen“, „lesen“ oder „putzen“. Man tut etwas. Es passiert nicht einfach. Niemand wird aus Versehen angefangen. Es ist keine Naturgewalt. Und deshalb braucht dieses Verb – wie so viele seiner Artgenossen – auch das schöne, solide, ehrliche „haben“ als Begleiter.

Nicht „sein“.
Nicht „sind“.
Schon gar nicht: „Wir sind gestern mit dem Umbau angefangen.“
Denn dann hätte ich bitte auch gern:
„Wir sind gestern das Wohnzimmer geputzt.“
„Ich bin gestern mein Buch gelesen.“
„Du bist doch sicher schon deinen Kaffee getrunken?“

Merken Sie was?

Warum das trotzdem immer mehr Leute sagen

Ein Grund liegt wahrscheinlich in der regionalen Sprachfärbung. In vielen Gegenden – vor allem im südlichen und westlichen deutschen Sprachraum – hat sich diese Konstruktion eingebürgert. Da wird man eben öfter mal angefangen, anstatt zu haben. Das kann im Dialekt charmant klingen. Und solange Oma beim Kaffeetrinken sagt: „Mia san glei amoi angefangen“, ist das auch völlig in Ordnung.

Problematisch wird es nur, wenn es plötzlich in den Sprachgebrauch wandert, der sich ansonsten so gern mit „Sprachbewusstsein“ brüstet. Wenn es Politiker sagen, die sonst über „Bildungsstandards“ referieren. Oder Sprecher:innen, die im Fernsehen für „klares Deutsch“ zuständig sind. Dann wird aus einer regionalen Eigenheit eine nationale Eigenart.

Ein Geständnis

Ich will nicht heuchlerisch sein. Auch mir ist dieser Satz mal fast rausgerutscht. An einem dieser Tage, an denen das Gehirn zu spät zur Sprache stößt. Ich stand da, redete, und plötzlich war er da, dieser Halbsatz:
„Dann sind wir eigentlich so gegen acht… äh…“
Ich habe mich noch rechtzeitig für haben entschieden.
Aber der Moment war da.

Man ist also nicht gefeit. Niemand. Nicht mal Leute, die freiwillig über so etwas schreiben.

Und jetzt?

Nun, wir könnten uns einfach damit abfinden. Sprache verändert sich. Gewohnheiten schleifen Regeln ab. Irgendwann wird vielleicht sogar im Duden stehen: „anfangen – Perfekt: ist angefangen (ugs., aber okay, who cares).“
Oder wir entscheiden uns für eine kleine, stille Rebellion. Für den Erhalt des guten alten „haben“. Für ein Deutsch, das nicht bei jedem zweiten Satz implodiert.

Also beim nächsten Mal, wenn jemand „angefangen ist“ – einfach freundlich nicken und sagen:
„Ach so? Ich habe schon aufgehört.“

Post Image
Loisl – Fundstück Leben
Post Image
Energiebedarf Deutschlands
Post Image
Das mit dem „sein“ und dem „haben“
Post Image
Liesls Logik #1
Prev
Energiebedarf Deutschlands
Next
Liesls Logik #1