Loisl – Fundstück Leben
Wie eine Kiste alter Fotografien auf einem Flohmarkt eine Geschichte aus Licht, Stille und Bergen erzählte
Wie eine Kiste alter Fotografien auf einem Flohmarkt eine Geschichte aus Licht, Stille und Bergen erzählte
Ich war nicht auf der Suche nach irgendetwas – und fand etwas, das mich seither nicht mehr loslässt. Es war ein verhangener Vormittag, die Straße glänzte noch von der Nacht, auf dem kleinen Flohmarkt in einem Allgäuer Dorf roch es nach Bratwurst, Filterkaffee und Pappkarton. Und dann stand da diese Kiste. Holzkiste, unbezeichnet, voller alter Schwarzweißfotografien – Berge, Schatten, Fenster. Und ein Blick, den ich nicht beschreiben konnte, aber sofort verstand.
Die Verkäuferin – eine sehr alte Frau mit wachen Augen – sagte nur: „Die sind von Loisl.“ Was sie mir dann erzählte, war mehr als eine Lebensgeschichte. Es war der Abdruck eines Menschen, der offenbar fast sein ganzes Leben allein in den Bergen verbracht hatte, nach dem plötzlichen Verschwinden seiner Familie. Später, während des Krieges, hatte ihm ein sterbender Soldat seine Kamera überlassen – eine Leica. Loisl begann zu fotografieren. Nicht wie jemand, der Kunst macht. Sondern wie jemand, der sehen musste, um zu bleiben.
Die Bilder – ich habe sie alle digitalisiert und studiert – sind von überraschender künstlerischer Qualität. Man merkt ihnen an, dass sie nicht komponiert sind, sondern empfunden. Licht, das auf Geröll fällt, ein Grat im Dunst, ein Fensterrahmen mit Stille dahinter. Alles grobkörnig, klar, still. Ich kann nicht sagen, ob es Genialität war oder eine Art von getriebener Notwendigkeit. Aber sie lassen mich nicht los.
Ob die Geschichte stimmt? Ob sie wirklich so passiert ist oder wie viel verklärte Erinnerung der alten Magd darin steckt – ich weiß es nicht. Aber sie fühlt sich echter an als vieles, das ich für echt gehalten habe.
Wer war Loisl? Was ist mit ihm geschehen? Und warum wirken seine Bilder, als hätten sie auf jemanden gewartet? Vielleicht ist das die eigentliche Geschichte: Dass Bilder nicht nur gesehen werden wollen. Sondern finden.
Seit diesem Tag lässt mich Loisl nicht mehr los. Die Fotografien sind mehr als Bilder – sie sind wie Fragmente eines verschwundenen Lebens. Vielleicht sind sie sogar das Einzige, was von ihm geblieben ist. Theresia sprach von einer stillen Freundschaft, von gemeinsamen Wegen in die Berge – und von einem Moment, der alles veränderte. Ein Streit, ein Übergriff, ein Verschwinden. Und dann stand die Kiste vor ihrer Tür. Als letztes Zeichen. Als leise Bitte, nicht vergessen zu werden.
Mal sehen, was daraus wird. Oder wie sich Loisls Geschichte erzählen lässt.